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Wann erstmals eine Schützenkompanie in Uderns nachweisbar ist, kann wie so viele andere Ereignisse nicht mit einem bestimmten Datum in Zusammenhang gebracht werden. Wehrverbände, deren Aufgabe in erster Linie im militärischen und in zweiter Linie im gesellschaftlichen Bereich lag, lassen sich im Mittelalter zuerst in den Städten nachweisen. In Uderns dürfte im Mittelalter sicher noch kein organisierter Wehrverband bestanden haben, allerdings wurden damals im Bedarfsfalle von den Grundherren wehrfähige Männer ausgehoben. Aus den erhaltenen Urkunden ist zwar zu entnehmen, daß es zwischen den Tiroler Landesfürsten und dem Erzbischof von Salzburg, der damals einen Großteil des Zillertales nicht nur in religiöser sondern auch in politischer Hinsicht beherrschte, immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam, allerdings sind kaum nähere Details zu erfahren, schon gar nicht, ob auch Uderner daran beteiligt waren oder davon betroffen waren.
In den Friedensschlüssen von 1308 und 1309 wurde verein bart, daß künftig wieder Sicherheit für Leib, Gut und Leben herrschen sollte. Nach damaliger Kriegsführung war es nämlich üblich, den feindlichen Fürsten dadurch zu treffen, daß man seine Untertanen bedrängte, ihre Höfe niederbrannte und so die Einkünfte schmälerte.Von Schäden an Zillertaler Bau­ern durch kriegerische Auseinandersetzungen berichtet auch ein Vertrag von 1314, der zwischen Salzburg und Seifried von Rottenburg, dem damals auch Uderns unterstand, geschlossen wurde.
Ein wesentlicher Wandel im Wehrwesen trat mit dem von Kaiser Maximilian I. im Jahre 1511 erlassenen Landlibell ein. Dieses bestimmte, daß die Tiroler Bevölkerung nur dann militärische Dienste zu leisten hatte, wenn es um die Verteidigung des eigenen Landes ging. Diese Bestimmung blieb trotz einiger Änderungen bis ins vorige Jah rhundert bestehen. Das Landlibell war aber andererseits Anlaß dafür, daß auch im ländlichen Bereich eine Organisation von wehrfähigen Männern nötig wurde. Dazu kam noch, dass wegen der Erfindung des Schießpulvers im ausgehenden Mittelalter in der Bewaffnung eine wesentliche Änderung eintrat.
Durch glückliche Umstände kam Tirol im Laufe seiner Geschichte vergleichsweise selten in die Situation, Krieg führen zu müssen. Aufgrund der Glaubenskriege des 16. Jahrhunderts wurde Tirol in den Jahren 1546 und 1551 zweimal von den Truppen des Schmalkaldischen Bundes, zu dem sich die protestantischen Fürsten zusammengeschlossen hatten, bedroht. Wenn auch das Zillertal davon nicht unmittelbar betroffen war, so geht doch aus einer von dem Haller Chronisten Franz Schweyger verfassten Schilderung hervor, dass die wehrfähigen Männer des Gerichtes Rottenburg/Rotholz, zu dem auch Uderns gehörte, zu Abwehr des Feindes zur Ehrenberger Klause bei Reutte zogen. „Am 15. Juli ist zu Hall um 7 Uhr abends das Gericht Rottenburg angekommen, ungefähr bei 500 mann. Sie haben eine Fahne gehabt, gelb und rot. Sie sind über Nach in Hall geblieben und dann der Klause zu (gezogen).“ Bei den sogenannten Schmalkaldeneinfällen der Jahre 1546 und 1551 stellte sich heraus, dass die Organisation der Landesverteidigung keineswegs ausreichend war.

In der Folgezeit wurden mehrere sogenannte Zuzugsordnungen geschaffen, welche genau festlegten, wann und in welchem Ausmaß Truppen ausgehoben werden sollten. Nach der Zuzugsordnung von 1604 beispielsweise hatte das Gericht Rottenburg 91 Mann für das kleine Aufgebot oder 183 Mann für das große Aufgebot zu stellen. Um eine Übersicht über alle Wehrfähigen, wozu alle Männer zwischen dem 15. und dem 60. Lebensjahr gerechnet wurden, zu erhalten, wurden von Zeit zu Zeit gerichtsweise sogenannte „Militärische Generalbeschreibungen“ angelegt. Eine dieser Listen nämlich jene des Jahres 1673, ist zufällig noch erhalten und bildet somit die älteste schriftliche Quelle, worin alle wehrfähigen Männer von Uderns genannt werden. Darin wird eine ganze Reihe interessanter Aussagen gemacht. Die Landmiliz, welche im Gericht Roggenburg aus 3 Offizieren, 77 Mann und 60 Scheibenschützen bestand, wurde durch folgende wehrfähige Männer zusätzlich ergänzt (im Folgenden werden nur die Männer von Uderns aufgezählt):
 

ehemalige in der Landmiliz dienende Musketiere:

Andreas Pachmayr
Georg Läderer
Moses Stinnepichler
Martin Hechenplaickner
Paul Wimpissinger
Peter Thanner
Paul Thalhamber

 mit Halbkacken Bewaffnete:

Hans Gschnaller
Stefan Pichlmayr

mit Büchse und Degen Bewaffnete:

Georg Hotter
Sebastian Lackner

mit Hausgewehren Bewaffnete:

Jakob Mauracher

Hellebarden- oder Spießträger:

Veit Puechschacher
Georg Nachtschatt
Simon Thür

mit Hacken Bewaffnete:

Hans Mayr
Peter Fleidl
Hans Schreick
Michael Palz
Peter Schueler
Jakob Schröckh
Kaspar Eberharter
Wolfgang Zaller
Mattheus Deirl
Gregor Winckhler
Georg Wimpissinger
Josef Wexlperger
Georg Selzamb

mit Griesbeil Bewaffnete:

Matthias Gschnaller
Hans Taxenpichler
Veit Haidacher
Andreas Ruprechter
Peter Hueber

mit Pickel Bewaffnete:

Matthias Wierer


mit Haue Bewaffneter:

Jakob Nachtschatt

 

Außer der Landmiliz hatte Uderns also 36 von insgesamt 575 Wehrfähigen des Gerichtes Rottenburg zu stellen, welche bei einem Generalaufgebot auf dem sogenannten „Lärmplatz“, wie der Sammelplatz genannt wurde, zu erscheinen hatten. Aus der obigen Aufstellung kann man ersehen, mit welch abenteuerlichen Bewaffnung unsere Vorfahren in den Krieg gezogen sind. Nur rund ein Drittel war mit Feuerwaffen ausgerüstet, die übrigen zwei Drittel mussten sich mit Spießen, Schaufeln, Hacken, Beilen und Hauen bewaffnen. Obwohl also relativ wenige Feuerwaffen in den Bauernhäusern zu finden waren, gab es damals schon den Brauch oder besser die Unsitte, zu wildern. Im Jahre 1665 beispielsweise erhielt der Rottenburger Richter den Auftrag, darauf zu achten, dass das „frevenlichte Pirschen“ der Zillertaler Untertanen abgestellt werde.
 Zeitgenössische Zeichnung von der Stellung der Rottenburger Schützenkompanie zur Sicherung der Grenze gegen Bayern im Jahre 1796
Zeitgenössische Zeichnung von der Stellung der Rottenburger Schützenkompanie zur Sicherung der Grenze gegen Bayern im Jahre 1796

 

Aber nicht nur das Wildern, sonder auch ganz besonders das sonntägliche Scheibenschießen war ein beliebter - heute würde man sagen - Freizeitsport: " Eine andere Unterhaltung ist das Scheibenschießen; fast kein Sonntag oder Feiertag des Sommers und Herbstes vergeht ohne Obung in demselben, alle sind Meister im Treffen des weitge­steckten Zieles. Sie tragen zu ihrem Stutzen die IJerzlichste Liebe, nennen ihn > Broudvada< (Brotvater), oft ihren einzigen Reichtum, reden und kosen mit ihm wie mit der Geliebten. Daraus entkeimt eine unwiderstehliche Jagdlust, durch ihre Lebensweise genährt; als Köhler, Melker, Wurzelgräber, Brannt­weinbrenner, Bergknappen wandern sie ins Gebirge, das treue >Büchsal< mit ihnen, sie halten sich dort länger auf, und lassen das Schießgewehr na­türlich nicht verrosten. Daraus erklärt sich die frü­here Erscheinung von Wilddieben und die aus dem Zusammentreffen mit landesfürstlichen oder herr­schaftlichen Jägern gewagten Spiele auf Leben und Tod, eine Erscheinung, die in der neuesten Zeit durch fast gänzliche Ausrottung des Wildes un­möglich geworden ist« - schrieb ein Autor im Jahre 1838.
Aber kehren wir von der doch vergnüglicheren Seite des früheren Schützenlebens wieder zu der militärischen Bedeutung zurück. 1703 beispiels­weise, als der bayrische Kurfürst Maximilian Ema­nuel in Tirol einfiel, wurden die Wehrfähigen des Gerichtes Rottenburg unter Samuel Kögl zu den Waffen gerufen und konnten bei der Rückerobe­rung von Kropfsberg und Rattenberg einen Erfolg erzielen . Die Erfahrungen bei diesem Ereignis machte in der Folge eine Reform, vor allem bei der Bewaffnung notwendig. Der Gebrauch von Feuerwaffen wurde verbreitet und die Ausbildung durch das schon oben erwähnte sonntägliche Scheiben­schießen wesentlich verbessert.
In der Zeit der Franzosenkriege 1796-1813 kam die Rottenburger Schützenkompanie abermals zum Einsatz. Sie wurde zur Sicherung der Landesgrenze gegen Bayern im Jahre 1796 herangezogen, wie eine von Johann Gassebner gezeichnete zeit- genössische Karte zeigt. Auf dieser werden die Einsätze der ersten und der zweiten Rottenburger Kompanie mit 121 bzw. 100 Mann erwähnt und deren Einsatzgebiet angegeben. Außerdem ist die An­sicht einer Verschanzung beigegeben.
Der Aufstand der Tiroler 1809 war zu dieser Zeit ein zentrales Ereignis für die Schützen. Im April 1809 waren Uderner Schützen bei der Belagerung von Kufstein beteiligt, im Mai 1809 nahmen sie an den Kämpfen am Reitherkogel, an der Zillerbrücke und bei Rotholz teil. Und schließlich waren Uderner Schützen im Juni 1809 bei der Sicherung der Nordgrenze gegen Bayern im Einsatz.
Wie die Bewohner von Uderns die Ereignisse miterlebten, schildert der Kaplan von Uderns, Othmar Stuefer, in seinen Aufzeichnungen 177. »Tirol em­pörte sich mit Beihilfe einiger österreichischer Truppen am 11. April 1809 wider die bayerische Regierung, vertrieb das bayerische Militär aus Tirol und die tirolischen Bauernschützen transportierten schon am 12. April hier nach Zell und sodann ins Österreich ische viele bayerische gefangene Solda­ten; aber am 15. Mai 1809 brachen die Bayern wie­der herein, verbrannten SChlitters, St. Margare­then, Schwaz und Vomp, am 23. aber kehrten die Bayern wieder zurück, weil sie Innsbruck nicht er­oberten. Sie entschlüpften durch den Angererberg nach Kufstein und den 31. Mai zogen sie ganz ab, nachdem sie zuvor der Landsturm und die Schüt­zen von allen Seiten verfolgt hatten. Allein in der Mitte des Oktobers 1809 kamen die Bayern wieder mit ganzer Macht.«
Der Kurat von Straß, Siard Haser, berichtet ebenfalls über diese Ereignisse, wobei er besonders den Wi­derstandswillen betonte178:
»Auch in den Dörfern Ried und Uderns ließen sich die Leute durch nichts abhalten.«
Im November 1809 kam es schließlich zur letzten und entscheidenden Bergiselschlacht, in der' die Uderner Schützen unter Hauptmann Thomas Penz bei Judenstein eingesetzt wurden. Eine andere Abteilung war schließlich noch an einem Gefecht bei Zell beteiligt. Während der gesamten Kämpfe hatte Uderns keinen einzigen Toten zu beklagen179. Nachdem der Aufstand der Tiroler niedergeschla­gen war, verlegte man französische Truppen nach Uderns, die hier bis Feber 1810 blieben. Die Bevöl­kerung fühlte sich offenbar nicht bedroht, denn der Uderner Kaplan berichtete, daß »jedermann so­dann seine vorher versteckten Sachen in seine Wohnung zurücktrug« 18°.
1837 kam die Gemeinde Uderns zum Gericht Fügen und rückte mit der Fügener Schützen kompanie aus.
Bereits 1838 bot sich dazu eine Gelegenheit anläßlich der Erbhuldigung von Kaiser Ferdinand
Dieses Ereignis endete jedoch tragisch. Der dama­lige Lehrer Johann Dengg berichtet darüber181: »Am Tage vor der Huldigung wurde diese Kompa­ nie in Hall einquartiert, wo dann ein schlecht ge­ mauertes Haus einstürzte und 16 Schützen dieser Kompanie begrub. Von der Gemeinde Uderns wur­den zwei Schützen, Alois Rainer von Finsing und Alois Pircher von Kleinboden, getötet«.
1848, 1858 und 1866 mußten zur Verteidigung des Landes Tirol „ Freiwillige Landesschützen“ aufgeboten werden.
1858 stand die 142 Mann starke Fügener Kompanie unter dem Befehl von Michael Lackner, Bäckersohn von Finsing.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 kam den Schützen keinerlei Bedeutung für das Militärwesen mehr zu, nachdem schon die Einführung der allgemeinen Wehrplicht in Tirol im 19. Jahrhundert ihre Bedeutung für die Landesverteidigung wesentlich geschmälert hatte. Trotzdem blieb wie auch sonst in Tirol die Uderner Schützenkompanie bestehen. Ihre derzeitige Funktion ist im gesellschaftlichen Leben der Gemeinde zu suchen. Sie umfasst 116 Schützen und 5 Makedenderinnen.